
Im Dienst Der Meister
Aus Kapitel I
Rendezvous In Muir Woods
Ich hatte mich verirrt. Der Pfad, den ich durch die gigantischen Mammut-Bäume in Muir Woods nördlich von San Francisco gewählt hatte, war eingehüllt in dicken Bodennebel, und ich war weit entfernt vom ausgetretenen Pfad gewandert, der durch den Wald ging. Ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich gehen sollte, und so wanderte ich bergauf, meine Sicht auf ein dutzend Schritte beschränkt, unter dem Blick der stummen Wächter, die sich in den Himmel streckten. Während ich mit den uralten Bäumen sprach und hoffte, dass sie vielleicht meine Gedanken hörten, sehnte sich mein Herz so sehr nach einer Begegnung mit einer erleuchteten Seele, die mir erklären würde, warum ich hier auf der Erde war.
Bis nach Indien war ich gegangen, um nach solchen Wesen zu suchen, aber ich fand keines – oder wenn ich jemanden gefunden hatte, blieb er still. Ich hatte noch keine persönliche Gottheit entdeckt, noch glaubte ich daran, dass Wesen von anderen Ebenen, falls diese sich der Erde bewusst waren, überhaupt von meiner Existenz wussten.
Es war 1973, ich war damals 28 Jahre alt und ich hatte ein sattes Leben gelebt. Ich hatte alles bekommen, von dem die Welt meint, es wäre wert, danach zu streben, aber nichts davon brachte mir anhaltendes Glück. Vielmehr hinterließen die vorübergehenden Freuden des Lebens in mir ein Gefühl der Leere. Ich hatte eine lange Reise in den Osten unternommen, in der Hoffnung, den Sinn des Lebens zu finden, und obwohl ich viele Wunder sah und Momente des erweiterten Bewusstseins erlebte, konnten mir die Heiligen Männer in Indien nicht meine Frage beantworten: Warum bin ich hier?
Jetzt wollte ich nicht mehr länger in diesem materiellen Dasein leben und suchte nach Wegen, wie ich meinen Körper verlassen konnte, um die Reise in eine höhere Sphäre anzutreten, in eines von diesen Reichen der Glückseligkeit, die ich in meinen Meditationen erfahren hatte, in denen Wesen in Liebe und Harmonie zusammenlebten. Ich wollte jedoch nicht im Paradies ankommen, damit mir gesagt wird, ich solle wieder auf die Welt zurückkehren, vielleicht als Tier, weil ich mir selbst das Leben genommen hatte.
Ich hatte in den Himalayas mit Gangotri Baba gelebt, einem Jünger von Hariakhan Baba, auch bekannt als Babaji, dem berühmten indischen Yogi, über den Paramahansa Yogananda geschrieben hatte, und welcher die Jugendlichkeit seines Körpers über hunderte von Jahren erhalten hatte. Als Gangotri Baba zum ersten Mal seinem Guru, der ihm seit Jahren in Träumen erschienen war, in einer Straße von Delhi begegnete, legte Babaji seinen Arm um ihn und transportierte ihn in seinem physischen Körper zum Himalaya. Nun bereitete sich Gangotri darauf vor, bei vollem Bewusstsein seinen Körper zu verlassen und sich mit seinem Meister zu verbinden, der nicht mehr in einem physischen Körper weilte, und auch ich sehnte mich nach derselben Freiheit von den Sorgen der Welt. Denn meistens hatte ich mich in meinem Leben wie ein Fremder an einem feindseligen und unvertrauten Ort gefühlt.
Lasst mich die Erde verlassen und an den Ort zurückkehren, von dem ich gekommen bin, betete ich.
Als es zu regnen begann, suchte ich Schutz im Stamm eines riesigen Redwood-Baumes, der durch Feuer ausgehöhlt worden war und eine natürliche Kathedrale bildete, in der ich sitzen und meditieren konnte. Ich praktizierte die Vipassana-Methode, wie ich es gelernt hatte, die Augen geöffnet und leicht auf den Boden gerichtet, und beobachtete den aufsteigenden Dunst meines Atems vor mir. Als ich zu meditieren begann, nahm ich das Auf- und Absenken meines Brustkorbes wahr, das Ein- und Ausatmen, das stille Mantra, das Siddhartha benutzt hatte, um der Buddha zu werden – einer der wach ist.
Ich fühlte, wie mich der ruhige Rhythmus in die Stille führte, in welcher sich die Begrenzung auflöste, während sich mein Bewusstsein ausdehnte. Das Gefühl von ich, mir und mein verschwand, die Gedanken verlangsamten sich und ich verweilte in einem Raum zwischen den Gedanken, wo ein Gedanke aufhörte und der nächste noch nicht da war, ein zeitloses Fallen in bedingungsloses Bewusstsein.
Dann, wie eine Luftblase, die in einem Teich aufsteigt, kam ein Gedanke an die Oberfläche – der Gedanke an die Aufgestiegenen Meister, über die ich, als ich Gast bei der Theosophischen Gesellschaft in Indien war, gelesen hatte. Besonders dachte ich an den „Wundermann“, den Meister Saint Germain, der in den Angelegenheiten Europas über 150 Jahre lang aktiv war, und den Voltaire als „der Mann, der alles weiß, aber niemals stirbt“, beschrieben hatte. Ich hatte über ihn in dem Buch Unveiled Mysteries von Godfrey Ray King gelesen, da ich jedoch von Natur aus skeptisch bin, hatte ich seine Erfahrungen mit den Meistern aber als zu fantastisch verworfen, als dass sie wahr sein könnten.
Nun bat ich flehentlich: Saint Germain, wenn es dich wirklich gibt und wenn du dieses Gebet hörst, dann sage mir, warum ich hier bin. Sonst werde ich einen Weg finden, meinen Körper zu verlassen…
Ich hatte einige Zeit in dieser Baum-Kathedrale gesessen und meinen Atem beobachtet und den Regen, der auf die Kiefernnadeln am Waldboden tropfte, als ich fühlte, wie ein kraftvoller Strom durch meinen Körper floss. Die Energie wurde stärker und ich fühlte, dass ich mich auflöste, alles um mich herum flirrte.
Plötzlich erschienen zwei Füße vor meinen halbgeschlossenen Augen und ich bemerkte eine Gestalt, die vor mir stand. Wie lange sie bereits hier war, wusste ich nicht. Ich hatte niemanden herankommen sehen. Wegen des kalten Regens war der Wald verlassen, auch konnte sich mir niemand genähert haben, ohne dass ich das Knacken von Zweigen gehört hätte. Doch hier stand ein Mann vor mir, in Jeans, einer Wildlederjacke und Tennisschuhen. Ich sah zuerst die weißen Tennisschuhe, mit denen er fest auf dem braunen Waldboden stand, an der Stelle, wohin meine Augen gerichtet waren.
„Erschrecke nicht, Peter“, sprach der Fremde mit einer Ruhe, die ich als behaglich empfand, „deine Gebete wurden erhört.“
Ich sah in das Gesicht eines Mannes, den ich für einen Wanderer wie mich in diesem Wald gehalten hatte, und der mich nun eindringlich anschaute. Obwohl es regnete, bemerkte ich, dass weder seine Haare noch seine Wildlederjacke auch nur eine Spur von Nässe aufwiesen. Ich wollte ihn auf diese Merkwürdigkeit gerade ansprechen, als er fortfuhr:
„Ich bin ein Teil der Gottheit, die auf deinen Ruf geantwortet hat. Wisse, dass der Ruf die Antwort erzwingt, und alle ernsthaften Gebete erhört werden. Du hast so inständig und schon so lange gebetet, dass die Antwort nicht länger zurückgehalten werden konnte. Die Antwort auf deine Frage ist ja, du kannst die Erde verlassen, wenn du willst. Ich biete dir Befreiung an, denn du hast genügend Karma geklärt und bist spirituell so weit vorangeschritten, dass du den Bereich der Menschheit verlassen kannst, ohne wiederkehren zu müssen, wenn das dein Wunsch ist. Du hast die Wahl. Bevor du mir jedoch antwortest, möchte ich dir etwas zeigen.“
Bevor ich mich vom Schock dieser außergewöhnlichen Erscheinung erholen konnte, denn es war offensichtlich, dass er trotz seiner gewöhnlichen Erscheinung kein gewöhnlicher Mann war, berührte der Fremde meine Stirn zwischen den Augen und ich befand mich außerhalb des Körpers. Während ich nun in meiner ätherischen Form da stand, schaute ich zurück zu meinem Körper, der immer noch mit gekreuzten Beinen im Baumstamm saß. Dann, bevor ich meine Freude über die neue Freiheit ausdrücken konnte, legte der Fremde seinen Arm um mich und wir schwebten über der Erde.
Sogleich erreichten wir einen Ort im Himmel, an dem ich leuchtende Wolken sah, und in diese Wolken schmiegten sich Lichtkugeln. Mir wurde gesagt, dass dies die Höheren Selbste (Monaden) von Wesen waren, welche einmal auf der Erde gelebt hatten, jetzt aber von der physischen Ebene für immer befreit waren. Wie durchsichtige Perlen von ungefähr einem Meter Durchmesser glühte jedes in funkelnden Regenbogenfarben, die sich mit der Meditation veränderten, in der sie versunken waren.
„Hier, in dieser Großen Stille, kannst du in ewiger Glückseligkeit bleiben“, sprach mein Begleiter, gerade so, als ob ich bereits Bewohner dieses himmlischen Ortes war. „In der Großen Stille wirst du eins mit Gott sein und du wirst dich hier ausruhen, bis zu einem fernen Zeitalter, wenn du zu einem neuen Zyklus von Aktivität kommen wirst.“
Ich beneidete diese glückseligen Wesen, eingehüllt in die Wolken der Ewigkeit und fühlte, dass ich endlich gefunden hatte, wonach ich mich immer gesehnt hatte – ein Paradies. Ich war gerade dabei, sein Angebot, zu bleiben, anzunehmen, als ich unter mir ein Jammern hörte, das qualvolle Schreien unzähliger Stimmen, die im Schmerz waren.
„Woher kommt dieser schreckliche Klang?“, fragte ich meinen Führer.
Er zeigte auf die blaue Kugel unter mir, von welcher Töne so großen Leidens und dringender Bitten um Hilfe herauf klangen, dass sich das Herz in meiner Brust zusammenzog, „Von der Erde“, sagte der Fremde. „Die Meister hören diese Schreie und die Gebete um Hilfe unaufhörlich. Dies ist das Befinden der Menschheit, das Leiden, hervorgerufen durch die Trennung vom Wissen Gottes.“ Er beobachtete mich genau, um zu sehen, was diese Offenbarung in mir auslöste.
„Du kannst entweder hier bleiben oder zur Erde zurückkehren“, wiederholte er. „Es ist deine Wahl.“
Ich war so ergriffen, dass ich nun spürte, da war keine Wahl. Meine eigene Befreiung konnte warten. Ich konnte mich nicht von diesen Herz zerreißenden Schreien abwenden, ich musste zurückkehren. Sofort war ich zurück im Wald, in meinem Körper im Baum, und der gebieterische Fremde stand vor mir.
„Du hast die richtige Wahl getroffen, mein Junge“, sagte der mysteriöse Führer mit einer so liebevollen Stimme, als würde er mich schon seit einer Ewigkeit kennen. „Wenn du in der großen Stille geblieben wärest, hättest du mich für eine lange Zeit nicht mehr gesehen, weil du aber beschlossen hast, der Menschheit zu dienen und das Glück der anderen vor dein eigenes zu stellen, werden wir zusammen arbeiten. Aber bevor du für mich eine Hilfe sein kannst, brauchst du noch Schulung, diese wirst du in Mount Shasta erhalten.“
Mount Shasta? Ich erinnerte mich an meinen Besuch im Norden Kaliforniens ein Jahr zuvor. Damals hatte ich eine befehlende Stimme gehört, während ich hoch oben an den Hängen des Berges meditierte. Die Stimme hatte von einer Mission gesprochen, die ich zu jener Zeit nicht verstanden hatte. War dies die Gegenwart, die damals zu mir gesprochen hatte?
Er machte einige Schritte rückwärts und sagte mit einem Zwinkern in den Augen, „Nun werde ich dir verraten, wer ich bin...“
Er stand für einen Moment bewegungslos vor mir, dann verwandelte er sich von einem jungen Wanderer in einen weiß gekleideten Meister, und seine dunklen, durchdringenden Augen funkelten in der Leibhaftigkeit der Liebe und Weisheit Gottes. Langsam begann ich zu realisieren, dass dies das Gesicht war, das ich in Unveiled Mysteries gesehen hatte, von jenem, zu dem ich gerade gebetet hatte – es war niemand anderer als der Aufgestiegene Meister Saint Germain!
„Kehre nach Mount Shasta zurück“, sprach er, „wo deine Unterweisung beginnen wird. Die erste Person, der du dort begegnen wirst, wird dir sagen, was du als Nächstes tun musst.“
Mit dieser letzten Anweisung begann sich die Form des weiß gekleideten Meisters aufzulösen und ließ mich in einem Zustand von unbeschreiblicher Ekstase zurück.
Aus Kapitel 2
Nach Mount Shasta Entsandt
Mit Herzklopfen, und ohne mir genau bewusst zu sein, wo ich gerade war, fand ich den Weg zurück zum Parkplatz, wo mein Van stand. Ich stieg in mein Fahrzeug und fuhr los, fast automatisch, und ich fühlte, dass sich mein Leben durch diese Begegnung mit Saint Germain von Grund auf verändert hatte, dass ich eine unwiderrufliche Entscheidung getroffen hatte, und nichts mehr jemals so sein würde wie zuvor. Erst Jahre später, als ich als Schüler des tibetischen Buddhismus das Gelübde des Bodhisattva ablegte, dass ich Erleuchtung zum Wohl aller Wesen erlangen wollte, realisierte ich die Bedeutung meiner Entscheidung, die ich an diesem Tag getroffen hatte – den Dienst an der Menschheit über meine sofortige Befreiung zu stellen. Paradoxerweise fand ich heraus, dass Glück nicht immer dort zu finden ist, wo wir es erwarten, und dass man Freiheit oft in der Verpflichtung findet.
Ich erinnerte mich nicht daran, dass ich auf den Highway fuhr, noch wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht zwei oder drei Stunden später bemerkte ich, dass ich mich auf dem Interstate Highway befand und eben an der Stadt Red Bluff vorbei gefahren war. Ich sah unmittelbar vor mir, eingerahmt vom ewigen Grün des Waldes, den Gletscher von Mount Shasta am Horizont leuchten, der in der Ferne wie ein Leuchtfeuer glitzerte, das mich vorwärts zog ‒ ein Anblick, der mir fast den Atem raubte.
Während ich weiterfuhr, strahlte der Berg eine Energie aus, die mein Herz erfüllte, und ich erinnerte mich, dass ich zum ersten Mal über den mystischen Berg von Christar gehört hatte, einem Amerikaner, den ich ein Jahr zuvor beim Kumbh Mela in Allahabad in Indien getroffen hatte ‒ ein Festival, zu dem sich Millionen von spirituell Suchenden versammelten, um einen Guru zu finden. Christar und ich hatten gemeinsam mit Ram Dass einige Wochen bei dessen Guru Neem Karoli Baba zugebracht. Maharaji (Sanskrit: Großer Herrscher), wie ihn seine Verehrer nannten, hatte Christar einen indischen Namen von einem großen Yogi gegeben, der im vergangenen Jahrhundert seinen Körper bewusst verlassen hatte. Wir alle hatten angenommen, dass Christar die Reinkarnation von diesem Guru war, doch als er wieder in den Westen zurückgekehrt war, hatte er seinen derzeitigen Namen wieder angenommen, der auf den Christusstern Bezug nimmt, welcher die Quelle allen Seins ist.
Maharaji hatte uns erzählt, dass es Glück verheißend sei, der Mela beizuwohnen und Wasser aus dem Zusammenfluss der drei heiligen Flüsse zu trinken, aus dem Ganges und Yamuna, den physischen Flüssen, und dem Saraswati, einem unsichtbaren Fluss. Was er mir nicht gesagt hatte, war, dass ich durch das Trinken dieses verschmutzten Wassers wahrscheinlich an Amöbenruhr sterben würde, eine Krankheit, die zum alten Namen der Stadt passte, Agra, Opferstätte. Allerdings wurde ich, um mich selbst zu heilen, dazu gebracht, die Heilkünste zu erlernen, was schließlich zu einer Berufslaufbahn führen sollte, die anderen Menschen Nutzen brachte.
Diese Opfertat, das Trinkens dieses geheiligten Giftes, verband mich mit dem Leiden der Menschheit und ließ mein Mitgefühl erwachen – die Essenz aller spirituellen Praktiken – und das Erfordernis für alle Heiler.
Christar hatte mir damals erzählt, dass Mount Shasta ein Fokus der Weißen Bruderschaft sei, einer Gruppe erleuchteter Wesen, welche trotz des Namens eine Vereinigung verschiedener Rassen aller Farben war, weiblicher wie männlicher Wesen, die einst alle auf der Erde gelebt hatten und in eine höhere Sphäre Aufgestiegen sind, wo sie unaufhörlich arbeiteten, um das Schicksal der Menschheit zu leiten. Von dieser Vision inspiriert, besuchte ich Mount Shasta nach meiner Rückkehr in die Staaten und campierte unmittelbar unter der Schneegrenze auf einer freien Wiese und fastete und meditierte in der Hoffnung, einem Meister zu begegnen oder wenigstens in einer Vision Führung zu bekommen. Jeden Tag sprang ich nackt in einen Pool mit eisigem, gletscher-gespeisten Wasser und saß dann in der Sonne und richtete in der Meditation mein Bewusstsein auf den Atem.
Obwohl ich durch diese Entbehrungen in einen Zustand der Euphorie gelangt war, sah ich keinen der sagenhaften Aufgestiegenen Meister, von welchen Christar gesprochen hatte, noch hatte ich die Vision, die ich mir so sehr wünschte ‒ so dachte ich jedenfalls. Da war kein flammendes Schwert am Himmel, begleitet von einer dröhnenden Stimme, welche mir sagte, wohin ich zu gehen hätte und was ich tun sollte ‒ nichts von dem, was Godfre Ray King erlebte, als er Saint Germain traf, und worüber ich in Unveiled Mysteries gelesen hatte.
Aus der Lektüre des Buches hatte ich erfahren, dass Saint Germain kein Heiliger in der katholischen Tradition war, sondern nur der Name, den diese große Seele und führende Kraft für die Erhöhung der Menschheit für sein Auftreten gewählt hatte. Er war zum ersten Mal während eines früheren Goldenen Zeitalters erschienen, als sich die Menschen noch an ihren Göttlichen Ursprung erinnerten, als Führer einer hoch entwickelten Zivilisation im damals fruchtbaren und halbtropischen Gebiet des heutigen Nordafrika. Als sich aber die Menschen vom Göttlichen Bewusstsein entfernten, lösten Saint Germain und seine Familie ihre physischen Körper auf und zogen sich zurück in die höheren Ebenen, von denen sie gekommen waren, um so der Menschheit zu ermöglichen, ihren selbst gewählten Weg der Entwicklung des Ego und des Materialismus zu verfolgen. Saint Germain verkörperte sich aber in späteren Zeitaltern immer wieder, um jenen Weisheit und Führung zu vermitteln, die auf ihn hörten, und schaffte es, wenigstens den einen oder anderen erfolgreich zum Licht zurückzuführen und den Samen der Weisheit in die Herzen anderer zu pflanzen, damit dieser schließlich in späteren Leben erblühe.
Eine dieser Inkarnationen von Saint Germain war die von Sir Francis Bacon, dem geheimen Sohn von Königin Elizabeth und dem Grafen von Leicester, dem berechtigten Erben des Throns von England und geheimen Autor der Shakespeare-Theaterstücke. Unter König James I. war Bacon das führende Licht, und er beaufsichtigte die Entstehung der King James Bibel. Seine literarischen Leistungen und späteren Bestrebungen, die zügellose und korrupte Monarchie wieder auf den richtigen Weg zu bringen, brachten ihm falsche Anschuldigungen und Hausarrest ein. Als er sah, dass er in Gefangenschaft nichts mehr bewirken konnte, stellte er sich tot, inszenierte eine Scheinbeerdigung und floh nach Europa, wo er unter einem Decknamen verschiedene Gruppen von Eingeweihten in okkulten Orden lehrte und leitete.
In seinem fortwährenden Dienst an der Menschheit wurde Saint Germain eine führende Kraft bei der Gründung von Amerika, als er 1636 als Sir Francis Bacon The New Atlantis schrieb, ein Buch, in welchem er die Möglichkeit einer Gesellschaft vorstellte, die auf spirituellen Prinzipien basierte. Seine geheimen Schriften, einschließlich der Manuskripte für die Shakespeare-Stücke, wurden in einer Gruft in Williamsburg, Virginia vergraben und, nach Angaben der Bacon-Gelehrten Marie Bauer Hall, später wieder ausgegraben ‒ und vermutlich geraubt und von Agenten jener einflussreichen Mächte versteckt, von denen Saint Germain Amerika gerne freigehalten hätte.
Als ein wahrer Bodhisattva, der es ablehnte, die Menschheit im Stich zu lassen, kehrte Saint Germain auch als ein Aufgestiegenes Wesen in verschiedenen menschlichen Formen zurück, um an den Höfen Europas vor und während der Französischen Revolution eine Rolle zu spielen. Er wurde als ein Mann angesehen, der Wunder vollbringen konnte und die Vergangenheit so gut zu kennen schien wie die Zukunft, der fähig war, an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sein, und es existieren Tagebuch-Eintragungen, die aufzeigen, dass er am gleichen Tag an verschiedenen weit voneinander entfernt liegenden Teilen Europas erschien. Er versuchte, den dekadenten Adel wachzurütteln, seine Verantwortung wahrzunehmen gegenüber denen, die in weniger glücklichen Umständen lebten, und er versuchte so viele wie möglich zu retten. Dies war vor den Massenexekutionen durch die Guillotine, durch welche die Tyrannei der Monarchie beendet und durch die Tyrannei der Massen ersetzt wurde, womit die Herrschaft der Bürokratie begann und Mittelmäßigkeit und Sozialismus ihren Aufstieg nahmen.
Heutzutage führt Saint Germain sein Werk fort, indem er die individuelle spirituelle Evolution unterstützt und als führende Kraft in den Bereichen der Kunst, Wissenschaft und Politik wirkt ‒ wo er unter verschiedenen Namen bekannt ist, je nachdem, wie es die Gelegenheit erfordert. Er hilft weiterhin all jenen, die ernsthaft versuchen, ihre Meisterschaft und Befreiung zu erlangen, was ihre von Gott gegebene Bestimmung ist.
In der Hierarchie der Aufgestiegenen Meister der Großen Weißen Bruderschaft ist Saint Germain der Meister des Siebten Strahls und seine verborgene Qualität ist die Freiheit. Er wirkt oft Seite an Seite mit Meister Jesus, einem anderen Aufgestiegenen Meister, dessen Wirken keiner weiteren Erklärung bedarf.
Auch wenn ich in die kalten Gewässer auf dem Mount Shasta eintauchte und stundenlang meditierte, fühlte ich mich unfähig, in Kontakt mit der Präsenz dieses Großen Meisters zu gelangen oder auch nur seine Energie zu spüren. Als ich schon aufgeben wollte, mich als zu unbedeutend fühlte, um seiner Aufmerksamkeit würdig zu sein, ereignete sich plötzlich der Kontakt, um den ich gebetet hatte. Ich wachte eines Morgens früh bei Dämmerung auf. Ich lag auf dem Rücken unter den Ästen des Pinienbaumes, unter welchem ich geschlafen hatte und schaute in den Himmel, als plötzlich eine Stimme zu mir sprach. Ich schaute mich um, sah aber niemanden, jedoch die Stimme fuhr fort, in einer Vertrautheit zu mir zu sprechen, wie jemand, der mich gut kannte und wusste, wo ich herkam und wohin ich ging, und dessen Stimme ich nun als die von Saint Germain erkannte.
Aber das, was er mir nun sagte, wollte ich nicht hören ‒ dass ich von Mount Shasta aus wieder in den Osten zu meiner Farm in der Nähe von Woodstock, New York, zurückkehren würde, um dann wieder nach Indien zu reisen, den Ort, wo ich vom Trinken des Wassers beim Kumbh Mela beinahe gestorben war. Dann würde ich den Avatar Sathya Sai Baba besuchen und schließlich wieder nach Mount Shasta gehen, welches meine neue Heimat werden würde.
Er beendete seine Rede mit dem Befehl, ich solle meinen Namen ändern – eine Bitte, gegen die ich mich hartnäckig wehrte. Ich hatte viele Amerikaner getroffen, die aus dem Osten zurückgekommen waren und Hindu-Namen trugen, die ihnen von ihren Gurus mit der Absicht gegeben worden waren, das Ego aufzulösen, die es aber oft stärkten, durch das Gefühl, etwas Besonderes zu sein ‒ was Buddhisten Selbst-Verehrung nennen. Ich wusste, alte Gewohnheiten der eigenen Persönlichkeit konnten nicht einfach so abgelegt werden, indem man ihnen einen neuen Namen überstülpte. So rebellierte ich also gegen seine Aufforderung, genau das zu tun, was ich so verabscheute.
„Du wirst den Namen des Berges als deinen Nachnamen annehmen.“
„Was?“, fragte ich ungläubig über diese seltsame Idee.
„ Du wirst den Namen Mount Shasta als deinen Nachnamen annehmen.“
„Du machst wohl Witze!“
„ Nein, ich mache keine Witze“, antwortete er.
„Ein Berg als Name?“ Selbst die Östlichen Gurus benannten nur äußerst selten jemanden nach einem Berg.
„ Ja.“
„Nein, das werde ich nicht tun“, antwortete ich rebellierend.
„Doch, das wirst du“, sagte der Meister mit Entschiedenheit. „Dein neuer Name ist Peter Mt. Shasta.“
„Nein, ich werde nicht einer von diesen New Age-Typen mit einem schrägen Namen sein!“
„Wir werden sehen“, sagte die Stimme mit der penetranten Strenge von Eltern, die wissen, dass sich ihr Kind schließlich ihren Wünschen beugen wird. Dann verstummte die Stimme und die Energie des unsichtbaren Wesens löste sich in Luft auf. Ich war wieder allein und beobachtete den Sonnenaufgang über dem Gebirgszug. Mein Besuch von dem Meister war höchst unbefriedigend, nicht annähernd das Ereignis, das ich so ersehnt hatte. Ich leugnete diesen Besuch und beteuerte, dass ich meinen Namen nicht ändern würde, und schrieb die Stimme, die ich so klar gehört hatte, der Einbildungskraft zu, der Auswirkung des Fastens auf das Gehirn. Rückblickend wird mir bewusst, wie spöttisch meine Sehnsucht nach direkter Führung war, da ich sie ablehnte, als sie gegeben wurde. Kein Wunder, dass die Meister nicht oft erscheinen, um zu sagen, was wir zu tun haben! Wir sind wie Kinder, wir wollen erwachsen werden, lehnen aber oft die nötige Disziplin ab und grollen, wenn uns gesagt wird, dass wir unsere kindliche Art abzulegen haben.
Als ich jetzt nach Norden fuhr, sah ich am Horizont Mount Shasta, über den es so viele Legenden gab, mit seinen zwei weißen Gipfeln gegen den azurblauen Himmel aufragen. Ich saß allein in meinem heruntergekommenen 62er Dodge-Transporter, der mit all meinen weltlichen Habseligkeiten, bestehend aus Schlafsack, Schaumstoffmatte, Rucksack und Campingkocher, bepackt war, und dachte an all die vergangenen Ereignisse, die mich nun noch einmal zu diesem Berg zurückbrachten, der seit Jahrhunderten das Ziel spirituell Suchender war. Trotz meiner Meinungsverschiedenheit mit ihm, kam ich, wie Saint Germain gesagt hatte, zurück an den Ort, nach dem er mich benannt hatte ‒ allerdings hatte ich noch nicht den Mut, vor anderen diesen scheinbar vermessenen Titel zu benutzen.
Tatsächlich ereignete sich alles nach dieser Begegnung so, wie es die Stimme, die ich auf der Wiese auf dem Mount Shasta gehört hatte, voraus gesagt hatte. Ich ging zu dem ersten Treffen der Rainbow Family auf dem Table Mountain in Colorado und kehrte dann auf meine Farm in der Nähe von New York zurück. Von dort reiste ich ein zweites Mal nach Indien, genauso, wie mir vorhergesagt wurde. Diesmal weilte ich im Aschram von Sathya Sai Baba, dem Avatar unserer Zeit, und ersehnte seinen Rat, in Bezug darauf, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Er antwortete nicht direkt, sondern gab mir eine Antwort, die ich zu jener Zeit nicht verstand. Nun, als ich den einsamen schneebedeckten Gipfel ansteuerte, der das Geheimnis meiner Bestimmung bereitzuhalten schien, fragte ich mich, ob sich mir die Antwort von Sai Baba hier offenbaren sollte.
Obwohl Sai Baba von Millionen Menschen auf der Welt als die vollständige Inkarnation Gottes anerkannt wurde, der all die göttlichen Eigenschaften verkörperte wie Rama und Krishna in vergangenen Zeiten, war ich sehr skeptisch in Bezug auf all diese Behauptungen, und hatte es bei meinem ersten Indienbesuch vermieden, ihn zu besuchen. Aber nachdem ich zurückgekehrt war und wieder auf meiner Farm lebte, sandte mir ein Freund ein Foto von Sai Baba und sagte, Baba habe ihm in einem Traum aufgetragen, mir dieses Bild zu schicken. Als ich das Bild betrachtete, schien es ungeachtet meiner Skepsis lebendig zu werden und Baba winkte mir zu. Eine Welle noch nie erlebter Liebe floss durch mein Herz und ich begann so zu weinen, wie ich es seit meiner Kindheit nie mehr getan hatte.
Als ich mich beruhigt hatte, sah ich wieder auf das Bild und war überrascht, als Sai Baba aus dem Bild stieg und direkt vor mir im Raum in voller Größe erschien. Er schritt auf mich zu und umarmte mich und füllte jede Zelle meines Körpers mit Liebe. Meine Schwingungsrate erhöhte sich und brachte mich in ein Bewusstsein Göttlicher Glückseligkeit. Komm mich in Indien besuchen, sagte er ausgelassen, bevor er sich in Licht auflöste und verschwand.
Zwei Wochen nach dieser Göttlichen Einladung schritt ich, trotz meiner Sterbensangst, wieder nach Indien zurückzukehren, durch das Tor von Sai Babas Aschram, Prashanti Nilayam (Ort des immerwährenden Friedens). Als ich mich dem Haupttempel näherte, über dem Sai Baba seine Wohnung hatte, erschien er auf seinem Balkon und winkte mir. Winkte er wirklich mir zu? fragte ich mich und schaute mich um – aber da war niemand hinter mir. Bald wird er mich für eine Audienz zu sich hereinrufen, dachte ich und erwartete eine Begegnung mit Sai Baba, die nicht weniger ergreifend sein würde als jene, die Ram Dass mit seinem Guru erlebte. In dieser Begegnung hatte Neem Karoli Baba Ram Dass enthüllt, dass er jeden Teil seines Lebens und seiner Gedanken und Gefühle kannte, und erwähnte die Gedanken, die Ram Dass gerade vorher über seine kürzlich verstorbene Mutter hatte ‒ und dies alles, während er den Kopf von Ram Dass in seinem Schoß hielt und der junge Harvard Professor weinte.
Aber die Geste des Winkens sollte nur eine von wenigen Augenblicken äußerer Beachtung sein, die er mir in all den Monaten dort gewährte. Es gab keine tränenreiche Begegnung. Ich war nur einer von Tausenden im Aschram und alle wollten dieselbe Aufmerksamkeit. Ich erhielt Besuche von ihm in meinen Träumen, und dann öffnete er wieder mein Herz für die Göttliche Liebe, mit der er mich in New York übergossen hatte. Viele sagten, dass diese äußerliche Ablehnung dazu diente, dass ich ihn im eigenen Innern finden und nicht von seiner äußeren Zuwendung abhängig werden würde. Und tatsächlich bemerkte ich, dass ich mir seiner Gegenwart ständig bewusst war, wie sie innerlich auf die Beschaffenheit meines Geistes hinwies, dort, wo die Arbeit zu tun war.
Ich sah Sai Baba während meines Aufenthaltes viele Wunder vollbringen und hörte von vielen weiteren Wundertaten, wie die Heilung eines kranken Mannes, den er, als dieser bereits seit mehr als einer Stunde tot war, wieder zurück ins Leben geholt hatte. Sai Baba ließ Amrit, heiligen Nektar, aus meinen Händen fließen, und in der Meditation gab er mir ein Mantra, welches mich in Glückseligkeit versetzte. Er ließ mir ein wunderbares Foto von sich zukommen, durch welches er lebendig wurde, wenn ich davor meditierte, und durch welches er zu mir sprach!
Aber mit der Zeit wurde das Bild ein ganz gewöhnliches Bild und auch das Mantra verlor jeglichen Effekt. Die Zeit verging und Baba sagte mir immer noch nicht, wie ich zu meditieren hätte, noch beantwortete er die für mein Bewusstsein zentrale Frage, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich war zwar spirituell gewachsen, aber mit meinen achtundzwanzig Jahren fühlte ich mich immer noch verloren in der Welt und wusste nicht, in welche Richtung ich gehen sollte. Ich hatte nichts vorzuweisen, was man in der Welt als eine Berufslaufbahn bezeichnet, und es kam mir nicht in den Sinn, dass vielleicht die spirituelle Bewusstwerdung meine Karriere war. Ich hörte innerlich immer wieder die Stimme meiner Eltern, welche mir sagten: Finde eine Arbeit und nimm deinen Platz in der Gesellschaft ein.
Nun war die Zeit meiner Heimreise gekommen. Mein Visum war bald abgelaufen und am nächsten Tag flog mein Flugzeug zurück. Während des Darshans, ‒ wenn der Guru durch die Menge der Anhänger geht ‒ kam mir die Idee, dass ich Sai Baba meine Frage aufschreiben und versuchen könnte, sie ihm zuzustecken, wenn er an mir vorbeikäme. Da er nicht bei jedem stehen bleiben und nicht mit allen persönlich sprechen konnte, nahm er manchmal von einigen während seines Darshans Briefe an, die er dann später auf seine Art beantwortete, meistens in einem Traum, oder indem er die von den Menschen erwünschten Veränderungen bewirkte,
Baba, bitte zeige mir, was ich mit meinem Leben machen soll. Wohin soll ich gehen? Über was soll ich meditieren? Ich schrieb hastig diese Fragen auf einen Zettel und streckte ihn Sai Baba entgegen – und tatsächlich – wie durch ein Wunder kam er, der mich sonst ignorierte, wenn ich ihm eine Notiz übergeben wollte, diesmal auf mich zu, nahm das Papier entgegen und berührte dabei meinen ausgestreckten Zeigefinger mit seinem.
Er hat mich gehört! Er hat meinen unausgesprochenen Wunsch nach physischem Kontakt mit ihm erwidert.
Ich hielt einmal seine Füße in meinen Händen, während er mit der Person neben mir sprach, aber dies geschah durch meine Initiative. Ich wünschte mir eine Berührung, die von ihm ausging, und wenn es nur eine ganz kleine war.
Nun, für eine Sekunde, berührte er meine Fingerspitze. Dann setzte er seinen Weg durch die Reihen von Verehrern fort, die alle etwas derart besonderes von ihm erwarteten. Als ich mich in der Glückseligkeit dieser Berührung badete, näherte sich jemand von hinten und schob mir ein kleines schwarzes Buch in die Hände, welches geöffnet war, und mir sprang ein unterstrichener Satz ins Auge: „Meditiere über „ICH BIN Gott“ und alle weiteren Fragen werden sich von selbst beantworten.“ Ich wusste, diese Worte waren Babas Antwort auf meine Frage, gesandt durch einen Fremden, der mir dieses Buch reichte. Kann es tatsächlich so einfach sein, argwöhnte mein Verstand? Aber ich war entschlossen, es zu versuchen.
Als ich weiter las, entdeckte ich, dass der anonyme Autor des Buches The Impersonal Life immer wieder betonte, dass der ultimative Guru der Guru im eigenen Inneren sei. Kein äußerer Guru in menschlicher Form vermöge einen etwas zu lehren, bevor man nicht zuerst seinen inneren Guru gefunden habe, denn das eine sei die Reflektion des anderen. Der Weg zur Gott-Verwirklichung, den das Buch beschrieb, lag in der Anrufung, ICH BIN DER ICH BIN, und in der Fähigkeit, diese Göttliche Gegenwart in seinem Herzen zu fühlen und darin ohne Unterbrechung zu verweilen. Wenn man nur die Worte wiederholte, ohne das Herz zu fühlen, würde dies einen nur zum Gefangenen des Ego machen, gefangen in der Illusion von ‚mir‘ und ‚mein‘. Dieses ‚mir‘ sei das begrenzte, selbstsüchtige, nicht dauerhafte Ego, während das "ICH" die ewige ICH BIN Gegenwart sei, das unsterbliche Gott-Selbst.
Das Buch The Impersonal Life führte weiter aus, dass die ICH BIN Gegenwart nur wirklich dann gefühlt werden könne, wenn Gedanken und Emotionen durch Meditation beruhigt und das Herz dem Göttlichen übergeben würde. Dann komme die ersehnte Führung durch ein tiefes Gefühl aus dem Herzen des Menschen, oder einfach als eine spontane Handlung.
Als ich diese Weisheit in mich aufgenommen hatte, welche Sai Baba – so schien es – als Antwort auf meine Frage gegeben hatte, begann sich mein Sehnen nach einem Guru, der meine Fragen über mein Leben beantworten würde, aufzulösen. Ich würde meinen Guru in meinem eigenen Herzen finden!
Auf diesen einfachen, doch revolutionären Weg gebracht, verließ ich Indien. Aber der Wandel in mir, mich nur noch auf die ICH BIN Gegenwart zu vertrauen, geschah nicht über Nacht. Ich würde viele Jahre des Meditierens brauchen, um diese innere Meisterschaft zu entwickeln, um mich der eigenen Gott-Gegenwart vollständig hinzugeben, jederzeit und in allen Angelegenheiten. Paradoxerweise fühlte ich mich Sai Baba, und später den Aufgestiegenen Meistern, denen ich bald begegnen sollte, immer näher, je stärker meine Verbindung zu meinem eigenen wahren Selbst wurde.
Zurückgekehrt in die Staaten, fuhr ich fort, über diese Gegenwart im Herzen zu meditieren, und diese führte mich durch das ganze Land bis nach San Francisco, zu meiner lebensverändernden Begegnung mit Saint Germain in Muir Woods. Nun schickte er mich zurück nach Mount Shasta, an den Ort, von dem mir Saint Germain bereits ein Jahr zuvor gesagt hatte, dass er in Zukunft mein Zuhause sein würde.
Während mich mein Van näher zu meinem Ziel brachte, dachte ich darüber nach: Warum wurde ich zurück zu diesem legendären Berg gebracht, mit welchem ich auf so unerklärliche Weise verbunden war?
Aus Kapitel 3
Begegnung mit Pearl und ein Gelübde
Als ich vom Highway abbog und in den kleinen Ort Mount Shasta hineinfuhr, wurde mir bewusst, dass sich ein Kreis geschlossen hatte. Im letzten Sommer hatte mir Saint Germain auf dem Berg gesagt, ich solle nach Indien zurückkehren. Dort hatte Sai Baba mich angeleitet, über ICH BIN GOTT, dem Göttlichen in meinem eigenen Herzen zu meditieren, und die Führung, die ich erhielt, indem ich dieser Gegenwart gefolgt war, hatte mich zurück zu Saint Germain und zum Berg Mount Shasta gebracht.
Nachdem ich den ganzen Morgen gefahren war, war ich hungrig und suchte ein Lokal, in dem ich frühstücken konnte. Als ich auf der Hauptstraße durch das Städtchen fuhr, erinnerte ich mich, dass Mount Shasta berühmt war für seine mystischen Überlieferungen über die Aufgestiegenen Meister, über Lemurien und die UFOs, aber an diesem Morgen machte dieser kleine Ort am Fuße des Berges einen verschlafenen und ziemlich gewöhnlichen Eindruck. Er war, wie viele andere Holzfäller-Orte im Nordwesten in jener Zeit, abgeschieden und ohne große Geschäftigkeit, mit Leuchtschildern ‚Geöffnet‘ in allen Schaufenstern. Trotz der leuchtenden Einladung musste ich lernen, dass die ortsansässigen Bewohner nicht so offen waren, wie diese Tafeln kundtaten.
Ich parkte meinen Van, ging die Straße hinunter und sah die prüfenden Blicke der Passanten, die mich anschauten, als ob ich gerade aus einem Raumschiff ausgestiegen wäre. Meine langen Haare, die bis über die Schultern reichten, eine Mala aus Gebetsperlen um den Hals und die losen weißen Hosen aus Indien müssen mich bei den örtlichen Viehzüchtern und Fabrikarbeitern in die Gattung der Hippies eingeordnet haben.
In der Mitte der trostlosen Hauptstraße sah ich eine grell blinkende Hinweistafel „Breakfast House“, und steuerte es mit knurrendem Magen an. In der Tür wurde ich von einem Plastikschild mit roten Buchstaben belästigt, „Wir bedienen keine Hippies.‟
Ich mochte den Begriff Hippie nie, denn ich hatte beobachtet, dass viele junge Menschen, die ihre Haare wachsen ließen und in sackartig herunterhängenden Kleidern herumliefen, meinten, dies allein würde genügen, um einen Bewusstseinssprung zu machen. Als Teenager trug ich einen schwarzen Rollkragenpullover, hing im Greenwich Village herum und las Kerouacs Dharma Bums und meditierte über die Zen-Koans, wie „Wie hört es sich an, wenn eine Hand klatscht?“. Aber damals war ich vierzehn, und nun versuchte ich, mich vom Beatnik- und Hippie-Image oder überhaupt von jeder Kategorisierung zu distanzieren.
Hippie schien eine Kurzform von Beatnik-Hip zu sein, aber später fand ich heraus, dass dieses Wort aus einem Afrikanischen Dialekt stammt und soviel bedeutet wie, „Jemand, der bewusst ist“. Damit hätte ich leben können, wenn ich die wahre Bedeutung gewusst hätte, aber ich hatte diese Etikettierung abgelehnt und fühlte, dass das Schild in der Tür nicht auf mich zutraf.
Ich schob die Tür zum Restaurant auf und trat ein. Der volle Raum verstummte wie in der Filmszene von Easy Rider, in der zwei freiheitsliebende Biker ein Restaurant betreten und sich mit Redneck-Hinterweltlern aus den Südstaaten konfrontiert sehen. Während ich in der Tür stand, ließen mich die eisigen Blicke, die auf mich gerichtet waren, erstarren.
Hier ist nun also der Teil des Films, in dem die Holzfäller mich auf die Straße hinauswerfen und mir meine langen Haare abschneiden werden, dachte ich, wohl wissend, wie mit Hippies, die die Grenze überschritten, in ländlichen Gegenden in diesen Tagen umgegangen wurde. Doch getrieben von einem unbändigen Hunger, ging ich in den Raum hinein, zu dem einzigen leeren Stuhl zwischen zwei stämmigen Kerlen in Flanellhemd und Holzfällerstiefeln. Ich fühlte, wie sie zornig wurden, als ich mich zwischen sie setzte, und sie kehrten mir den Rücken zu.
„Was darf es sein, mein Lieber?“, fragte die Serviererin, die auf mich zukam und nun vor mir stand mit ihrem Block und Bleistift, um meine Bestellung aufzunehmen, und so die Bombe der Feindseligkeit entschärfte, die nahe am Explodieren war. Ich fühlte eine Welle der Dankbarkeit für sie. Als alle im Restaurant sahen, dass die Kellnerin mich bediente, wandten sie sich wieder ihren Gesprächen und dem Essen zu. „Ist es tatsächlich so schwierig für diese Menschen, die sich zweifellos für Christen halten, einem Fremden gegenüber Nächstenliebe zu zeigen? fragte ich mich.
Die Angst in meiner Magengrube war geschwunden, als ich mich daran machte, einen großen Haufen in Butter gebackener Buchweizenpfannkuchen mit Ahornsirup zu verschlingen. Als ich mein Frühstück beendete, tauchte neben mir plötzlich ein junger Mann in meinem Alter auf, mit klaren blauen Augen, den ich hinten im Restaurant vorher nicht gesehen hatte, und streckte mir seine Hand entgegen.
„Hi, ich bin Stephen", sagte er fröhlich, „Mir gehört der Bioladen gleich um die Ecke. Komm rüber, wenn du fertig bist.“ War dies derjenige, von dem mir der Meister in Muir Woods gesagt hatte, dass ich ihn treffen würde, damit er mir sagt, was ich als nächstes tun soll?
Sobald ich meine Rechnung bezahlt hatte, ging ich hinüber zu Stephens Laden, wo ich ihn damit beschäftigt fand, Sonnenblumenkerne in Plastikbeutel zu füllen. Als ich eintrat, wandte er sich mir zu, schaute mir sofort in die Augen und sagte:
„Du solltest zu Pearl gehen!“
„Bist du sicher?“, fragte ich. „Wer ist Pearl?“
„Eine, die weiß…..“
„Die was weiß?“
„Das, was du wissen möchtest … ruf sie einfach an, du wirst es herausfinden.“
Ich tat, was er gesagt hatte, und rief von seinem Telefon aus Pearl an. „Komm gleich vorbei“, sprach eine mütterliche Stimme liebevoll in mein Ohr.
Einige Minuten später parkte ich am Ende einer Sackgasse vor einem Haus, das aussah wie das Lebkuchenhaus in der Geschichte von Hänsel und Gretel, vollständig umgeben mit großen Hecken und Schatten spendenden Kiefern. Als ich durch das von Rosen umrankte Bogen-Tor ging, fühlte ich mich, als ob ich einen Tempel betreten würde. Ein mit Steinplatten belegter Weg führte zur bogenförmigen Haustür, und als ich davor stand, ließ ich den eisernen Türklopfer mit einem dumpfen Schlag fallen. Die Tür wurde von einer freundlichen Frau in ihren Sechzigern mit durchdringenden, nussbraunen Augen geöffnet.
„Komm herein“, sagte sie, „ich habe dich erwartet“, und trat einen Schritt zur Seite, um mich herein zu lassen.
„Wie meinen Sie das, Sie haben mich erwartet?“, fragte ich, nachdem ich in ihrem gemütlichen Wohnzimmer zu einem Stuhl geleitet worden war, der ihrem gegenüberstand.
„Der Meister Saint Germain kam heute Morgen zu mir und sagte, er würde jemanden zu mir schicken“, erwiderte sie in einer nüchternen Art und Weise, als wäre sie das tägliche Erscheinen dieses berühmten Meisters gewohnt, der Berichten zufolge seit Jahrhunderten, wenn nicht länger, die Angelegenheiten der Menschheit geleitet hatte.
„Wirklich?“, schluckte ich heftig.
„Nun erzähl mir, wer du bist, und was dich zu mir gebracht hat“, sprach sie weiter, rückte ihren Stuhl näher und winkte mir, meinen weiter nach vorne zu rücken, um mir die Befangenheit zu nehmen. Ich schaute auf die Readers Digest auf dem Tischchen neben ihr und auf den Wandteppich mit Rehen, die durch den Wald liefen, und fragte mich, wie, nach all den Erlebnissen in Indien, wo ich zu Füßen von staubbedeckten und oft nackten Gurus saß, deren Gesichter mit Asche, Sandelholzpaste oder Zinnober beschmiert waren, mich meine Wanderungen auf der Suche nach spiritueller Führung zu dieser gewöhnlich aussehenden Frau in einem gewöhnlichen Haus in einem Fabrikstädtchen im Norden Kaliforniens gebracht hatten.
Ich erzählte ihr von meinem Erlebnis in Muir Woods, von dem mysteriösen Fremden, welcher aus dem Nichts vor mir erschienen war, mich aus meinem Körper genommen und in die extatische Ebene der Großen Stille gebracht hatte, wie ich mich entschieden hatte, zum Dienen auf die Erde zurückzukehren, und wie der Fremde sich in ein Wesen in weißer Robe verwandelt hatte, der mir auftrug, nach Mount Shasta zu gehen.
Ohne Zögern fragte mich diese großmütterliche Dame, die wie Yoda in Star Wars aussah, schelmisch blinzelnd, “Und, was denkst du, wer das war?“
Ich schaute auf und sah das Bild von Saint Germain an der Wand und deutete mit dem Kopf zu ihm, aber ich wagte es immer noch kaum, von meinem Zusammentreffen mit diesem legendären Wesen ein paar Stunden zuvor, zu sprechen.
„Ja, und er ist sehr nahe und gibt zu erkennen, dass er dir helfen möchte.“
„Was sagt er?“, fragte ich erstaunt über die Aussage, dass Saint Germain auch hier war und plötzlich ein so großes Interesse an mir zeigte. Wo war er während meines ganzen Lebens gewesen, während all der Torturen, und warum hat er bis jetzt gewartet, um zu erscheinen? fragt ich mich. Wo war er in der Vergangenheit, als ich immer wieder zu Gott betete und mir niemand antwortete?
„Ich kann dir nicht sagen, was er gerade sagt, denn ich channele die Worte der Meister nicht“, antwortete Pearl. „Die Meister erlauben ihren Schülern nicht, zu channeln, nur in ganz seltenen Ausnahmen, denn die Meister ‒ welche Göttliche Wesen sind ‒ können Wünsche direkt in dein eigenes Herz übermitteln. Du wirst die Worte, die sie sagen, nicht mit deinen Ohren hören oder mit deinem Verstand wahrnehmen – denn dein Verstand würde dagegen nur Einwände vorbringen und sich einmischen wollen. Stattdessen vermitteln die Meister Informationen über dein Höheres Selbst, auf das du intuitiv nach Bedarf zugreifst, und empfindest später, dass diese Information von dir selbst kommt."
Nun erinnerte ich mich mit großer Verlegenheit daran, wie ich vor einem Jahr gegen Saint Germain Einwände vorgebracht hatte, als er am Berg zu mir kam und mir sagte, ich soll meinen Namen ändern ‒ einen Namen, den ich ihm schwor, niemals zu verwenden! Er hatte direkt zu meinem Verstand gesprochen, Worte, die ich verworfen hatte, denn ich hatte den Meister noch nicht getroffen und nicht verstanden, dass sie von ihm kamen. Nun erzählte mir Pearl, wie ich mit diesem Meister Verbindung aufnehmen und sein Bewusstsein innerhalb meines eigenen Wahrnehmungsbereiches erleben konnte.
Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: „Wenn du in dein Inneres gehst und deine Aufmerksamkeit auf das Zentrum deines Seins richtest, und Saint Germain Liebe schickst ‒ und seine Anwesenheit in dir in dem Wissen bestätigst, dass sein Herz und dein Herz eines sind ‒ dann wirst du seine Gegenwart fühlen, und das wird den Weg für ihn frei machen, mit dir direkt durch dein Herz zu arbeiten.
Ich schloss meine Augen, um zu meditieren, bis Pearl befahl: „Öffne deine Augen! Du brauchst deine Augen nicht zu schließen, um zu meditieren. Richte einfach deine Aufmerksamkeit auf das Zentrum deines Seins und sprich still zu dir selbst, ICH BIN die Gegenwart von Saint Germain! Fühle die Sonne in deinem Herzen, und in dieser Sonne seine Anwesenheit. Du willst nicht der Meister sein, sondern lernst zu erkennen, dass das Bewusstsein des Meisters mit deinem Bewusstsein Eins ist.
„Die Meister sind nicht von dir getrennt“, sagte Pearl. „Es gibt für sie keine Entfernung oder Zeit ‒ wo immer du auch bist, da sind sie auch. Einheit mit Saint Germain ist möglich, weil die Energie des Siebten Strahls, dessen Chohan Saint Germain ist ‒ der Meister oder Leiter der bewussten Aktivität ‒ bereits in dir ist. Diese Energie ist das Spektrum deiner eigenen inneren Regenbogenfarben, welche du anrufst, jenem Teil in dir, mit dem der Meister in Verbindung steht.
„So wie sich das Tageslicht aus den sieben Farben des Spektrums der Regenbogenfarben zusammensetzt, bist auch du aus den sieben Strahlen der Schöpfung geschaffen. Es gibt für jeden Strahl einen Aufgestiegenen Meister, der der Chohan, der Leiter eines Strahls ist, wenngleich wir jetzt nur den Siebten Strahl, den von Saint Germain anrufen.
„Er beobachtet dich und du solltest dich an ihn wenden, wenn du seine Hilfe benötigst, wenn du ihn in deinem Leben aktivieren willst. Genauso, wie du Jesus anrufen würdest, musst du nur in dich gehen und dein Herz öffnen, um Saint Germain anzurufen. Diese beiden sind Brüder und arbeiten zusammen. Der Meister sieht dich nicht als getrennt, sondern als Teil von ihm selbst, und genauso solltest auch du ihn sehen, und nicht zögern, ihn anzurufen. Wenn du sagst ICH BIN hier, ICH BIN dort und ICH BIN überall, dann berührst du sein Bewusstsein – das Bewusstsein, dass in dem Einen das Viele ist, und in dem Vielen der Eine.‟
Ich tat, wie Pearl mir sagte, und wiederholte zu mir selbst wieder und wieder,
ICH BIN die Gegenwart von Saint Germain.
Zuerst bemerkte ich nichts – nur peinliche Stille. Dann, nach einigen Minuten, fühlte ich eine Quelle der Freude in meinem Herzen aufwallen, begleitet von einer elektrisierenden Präsenz im Raum, dessen Atmosphäre sich mit violettem Licht zu füllen begann.
„Dies“, sagte Pearl und bestätigte diese Veränderung, „ist der Meister Saint Germain – und er ist sehr zufrieden. Er hat Verve [Schwung; d. Übers.], ein Wort, kombiniert aus Vitalität und Nerv, aber mit einem Sinn für Humor.‟ Allerdings! Ich hätte schwören können, dass der Meister lachte, aber ich fragte mich ungläubig: Lachen Meister? Ich dachte, sie seien immer ernst.
„Ja, Meister lachen“, bestätigte Pearl, die meine Gedanken vernommen hatte, wenn auch vielleicht nicht akustisch.
Als ich diesen Gedanken losließ, ging ein Energiefluss vom Kopf bis zur Mitte meiner Brust, erfüllte meinen ganzen Körper mit Licht, und ich hörte in mir laut ertönend wieder und wieder, „ICH BIN DER ICH BIN…ICH BIN DER ICH BIN…ICH BIN DER ICH BIN...ICH BIN DER ICH BIN“ ‒ und das Bewusstsein dieser Quelle wurde in meinem Herzen verankert. Der violette Farbton im Raum wurde intensiver, als ich weiter in die Augen von Pearl schaute, und mit Erstaunen beobachtete ich, wie sich ihre physische Form in einen leuchtenden, goldenen Lichtball aufzulösen schien. In diesem zeitlosen Bewusstsein war keine Vergangenheit oder Zukunft, nur das ewige Jetzt, und ich wärmte mich in dem Licht dieser Sonne.
Als das Licht nachließ, wurde ich mir meines Körpers wieder bewusst und sah Pearl, die immer noch mir gegenüber saß. Es war kaum zu glauben, dass sich diese Transformation in einem altmodischen Wohnzimmer in den Bergen, bei einer großmütterlichen Dame ereignet hatte, und nicht zu Füßen eines Heiligen in Indien, und ich schaute glückselig auf die Herde von Rehen, die in dem Wandteppich ästen, und zu den hölzernen Elfen, die mich von ihrem Platz im Regal aus schelmisch anstarrten. Sie begann zu sprechen und kommentierte meine inneren Erfahrungen, als ob sie meine Gedanken lesen konnte.
„Obwohl du keine Worte der Anweisung gehört hast, wurde dir Führung, Ermutigung und Nahrung gegeben, welche der Meister deinem höheren mentalen Körper in Form von flüssigem Licht vermittelt hat. Wenn die Situation es erfordert, wirst du auf die Information, die er dir gegeben hat, zugreifen können. Eine direktere Mitteilung durch ihn würde deinen Verstand nur veranlassen, zu hinterfragen und sich störend einzumischen. Solch ein direktes Channeln würde dich schwächen, denn es würde bewirken, dass du außerhalb von dir suchst, wo doch die Meister wollen, dass du dich nach innen wendest, um deine Antworten zu erhalten. Auf diese Weise wirst du ein Meister werden, anstatt ein ewiger Jünger von Meistern zu bleiben.“
Kein Wunder, dass sie uns nicht öfters sagen, was wir zu tun haben, dachte ich, und erinnerte mich nochmals mit Betretenheit daran, wie ich Saint Germain ein Jahr zuvor am Berg Einwände gegen seinen Vorschlag, meinen Namen zu ändern, gemacht hatte.
Pearl fuhr fort und gab mir weitere Erklärungen darüber, was mich erwartete, wenn ich diesen Weg der Meisterschaft weiter verfolgen würde, “Ein Meister spricht nur selten das menschlichen Selbst an, und dann nicht durch Channeln über Vermittler, sondern direkt den Schüler. Die Meister sind allwissend und allgegenwärtig und allmächtig und sehr wohl in der Lage, dir ihre Gedanken in deinem Wach- oder Traum-Zustand zu übermitteln, ohne andere zu bemühen. Achte sie als das, was sie sind, im wörtlichen Sinne Götter, sehr wohl fähig, mit dir so zu kommunizieren, dass du sie verstehst. Aber sei darauf gefasst, dass sie dir nicht immer das sagen, was du hören möchtest, sondern vielmehr das, was du brauchst.
„Bei seltenen Anlässen haben die Meister spirituelle Diskurse durch hoch entwickelte Individuen gegeben, welche über Jahre gut vorbereitet worden waren, wie z.B. mein Lehrer Godfre Ray King. Jedoch gaben die Meister zu diesen Zeiten spirituelle Gesetze und vermittelten eine Strahlung, die die Selbsterkenntnis der anwesenden Individuen stärkte, und keine Prophezeiungen, die die Menschen mit Angst erfüllen oder sie anlocken, um immer noch mehr Informationen und hochklingende Initiationen zu erhalten, welche nur bewirken würden, dass sie in ihren Köpfen bleiben, indem es ihnen das Gefühl gibt, anderen überlegen zu sein.“
Ich war erstaunt, dass Pearl Godfre Ray King, den Autor von Unveiled Mysteries, gekannt und mit ihm zusammengearbeitet hatte. Das war das Buch, das ich zum ersten Mal in Indien gesehen hatte, als ich ein Gast der Theosophischen Gesellschaft war, und obwohl ich zuerst skeptisch war, sollte ich später diesen erstaunlichen Bericht über die inneren Erlebnisse des Autors mit den Meistern noch viele Male lesen, denn die Energie, die ich aus seinen Seiten ausstrahlen fühlte, war ein greifbarer Beweis für die Existenz der Meister und eine Bestätigung ihrer Lehren.
„Jeder echte Kontakt mit einem Meister bringt eine Person näher zur Quelle im Innern und hinterlässt ein Gefühl der Stärkung. Nur falsche Propheten versuchen die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen oder bombardieren ihre Anhänger mit einer nicht enden wollenden Flut von angeblich wichtigen Informationen und Prophezeiungen und machen sie süchtig, immer wiederzukommen, um die neuesten Botschaften zu erhalten ‒ was häufig Unsinn ist.
„Was das Geld verlangen anbetrifft, dafür, dass man durch einen angeblichen Channel den Meister sprechen hört“, fuhr Pearl fort, „niemand, der jemals die Gnade erfahren hat, in der Gegenwart eines Meisters zu sein, wird jemals von anderen für das gleiche Privileg Geld verlangen, und für sich beanspruchen, dass es ihm gebührt, etwas zu verkünden. Das ist eine Möglichkeit, um zu sehen, ob jemand wirklich einen Meister getroffen hat. Anderen Geld abzuverlangen für das, was sie selbst aus Gnade empfangen haben, würde sie selbst von der Gnade abfallen lassen. Wenn für Spiritualität Geld verlangt wird, dann weißt du, da gibt es nichts Spirituelles. Ich rede nicht von einer Bezahlung für Essen, Unterbringung und von der Notwendigkeit, die Miete für eine Halle zu bezahlen; wenn aber einem Individuum aufgrund von Gelmangel der Zugang zu den Meistern und ihren Lehren verweigert wird, oder auf Menschen Druck ausgeübt wird, zu bezahlen, dann weißt du, du brauchst deine Zeit dort nicht vergeuden, denn die Meister sind auch nicht dort.
„Außerdem meinen viele ernsthafte Channels, dass sie die Stimmen der Meister hören, aber die meisten hören nur ihre eigenen Gedanken, bestenfalls; schlimmstenfalls kontaktieren sie entkörperte Geister, die sich als Meister maskieren und die umherdriften und die Energie ihrer Anhänger absaugen. Auch wenn die Informationen, die diese Channels geben, manchmal zutreffend oder inspirierend sein mögen, größtenteils sind sie wahrscheinlich unwahr ‒ und geben Anlass zu Angst, falschen Hoffnungen, irrigen Erwartungen, und verursachen oft echtes Unheil. Diese erdgebundenen Wesen wissen, dass sie mit Honig mehr Fliegen fangen, als mit Essig, also verflechten sie oft irreführende Informationen mit genauen Beobachtungen ihrer Anhänger und schmeichelnden Kommentaren, die das Ego ansprechen, und sagen, wie großartig du in vergangenen Leben warst oder wie großartig du in der nahen Zukunft sein wirst.“
Zu dieser Zeit erkannte ich nicht, dass dies mehr als nur theoretisches Wissen war, sondern Jahre später, als ich in der Filmbranche tätig war, würde ich einem solchen dunklen Wesen von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, nicht nur einer entkörperten Entität, sondern einem falschen Propheten von einer anderen Welt, der versuchte, seine Anhänger in die Irre zu führen. Diese Begegnung, die später im Kapitel ‚Kampf um Hollywood‟ berichtet wird, kostete mich fast mein Leben.
„Das Arbeiten mit Zeichen, Omen, Träumen, Tarotkarten und Ouija-Brettern zur Führung“, fuhr Pearl fort, „sind, bei aller Faszination, alles Praktiken, die wegen der Subjektivität des menschlichen Verstandes, der durch das Begehren beeinflusst wird, für verschiedene Interpretationen offen. Die höchste Form der Führung manifestiert sich als spontane Aktion, welche frei von Denken ist. Sie fließt intuitiv aus dem Zentrum deines Seins, ohne irgendeine gedankliche Interpretation. Du tust einfach, was richtig ist! Du weißt, was du brauchst, wenn du es brauchst und handelst spontan von deinem Höheren Selbst aus, ohne Interpretation oder Vermittler.“
Pearl machte eine Pause und fuhr dann fort zu erklären, wie die Meister arbeiten.
„Die Meister führen und leiten die Menschen meistens, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, und lassen den Betreffenden ihre Führung als Intuition empfinden oder einfach als spontanen Wunsch, zu handeln. Das ist so, weil du ein Meister wirst, indem du lernst, dich auf dein Höheres Selbst einzustimmen, auf das ICH BIN DER ICH BIN, nicht durch Channeln von Informationen durch jemand anderen.
„Was meinst du, wie diese Wesen Meister wurden?“, fragte sie und beantwortete dann die Frage selbst, „Indem sie sich ihres Höheren Selbst bewusst wurden, der gleiche Weg, auf dem auch du ein Meister werden wirst. Es gibt keinen anderen Weg.
Dies ist aber nicht die Arbeit von einem Tag“, fuhr sie fort. „Die Menschen lesen ein Buch, nehmen an einem Seminar teil, oder bekommen ein Channeling und meinen dann, sie sind Meister, und wollen Seminare veranstalten und dafür Geld verlangen. Nein, dies ist nicht die Arbeit eines Tages. Es braucht Zeit und Anstrengung, um das niedere Selbst zu überwinden, und strikten Gehorsam gegenüber dem Höheren Selbst und den Meistern, um auf dem Weg zur Meisterschaft voranzukommen. Strenger Gehorsam ist der Schlüssel. Saint Germain sagte zu Godfre Ray King, 'Wenn ein Individuum vollständigen Gehorsam leistet, kann ich jedem helfen ‒ sogar einem Schuhputzer am Bahnhof ‒ sein Karma zu klären und innerhalb von drei Jahren Freiheit zu erlangen'. “
Als mich Pearl bei diesem Angebot von Saint Germain in meinem Stuhl größer werden sah, warf sie mir einen wissenden Blick zu. „Aber lass mich dich warnen. Wenn du einmal diesen Weg eingeschlagen hast, wirst du ernsthaft geprüft werden ‒ dessen darfst du dir sicher sein. Du musst auf einem schmalen Grat wandern. Wehe dem, der sich einmal auf diesen Weg begibt und wieder zurück will, denn es gibt kein Zurück. Anzufangen und zu versagen, würde zu einem Rückschlag für viele Leben führen, weil die Macht, die du im Voranschreiten ansammelst, jeden deiner Gedanken und jedes Gefühl und ebenso jede Zwietracht verstärkt und negatives Karma erzeugt. Es ist kein Weg, auf den man sich leichtfertig begibt.“
Pearl endete, und ich saß sehr still in meinem Stuhl. Ich wusste nun, warum ich hierher gebracht worden war. Ich war durch die ganze Welt geführt worden, um auf diesen Moment vorbereitet zu werden. Ich verstand, dass mir die Meister ein Angebot machten. Ich wurde zu der Großen Arbeit gerufen, zu der der Selbstmeisterung. Der Same dazu wurde gesät, als ich The Impersonal Life las; nun betrat ich den Weg, zu welchem mich das Buch geführt hatte, eines, das mich auf meine eigenen Füße stellte. Das Buch sagt, man solle alle Meister vergessen, da sie eine Ablenkung sein könnten von der eigentlichen Arbeit, ein Meister zu werden, und stattdessen solle man auf das ICH BIN meditieren ‒ der eigentlichen Botschaft der Meister. Ersetze die Anbetung der Götter, indem du selbst einer wirst.
Die Worte, die Pearl gesprochen hatte, hallten in mir als die Wahrheit so tief nach, dass ich an Ort und Stelle schwor, jedes Opfer zu bringen und mich auf jede erforderliche Weise zu disziplinieren, sodass ich zu einem Wesen würde, das anderen helfen kann ‒ wie das großartige Wesen, das vor mir in Muir Woods erschienen war. Da ich mir nie hätte träumen lassen, wie schwierig es war, so zu sein, und wie bestürzend die Abenteuer sein würden, die ich unter Anleitung der Meister haben würde, tat ich den feierlichen Schwur der Gehorsamkeit ihnen gegenüber und gegenüber der ICH BIN Gegenwart, durch die die Führung kommen würde. Da ich seine Gegenwart immer noch fühlte, bat ich Saint Germain, mich als seinen Lehrling in seinem großartigen Dienst an der Menschheit anzunehmen. Gerade an diesem Morgen hatte ich in Muir Woods gelobt, zur Erde zurückzukehren, um menschliches Leiden zu lindern. Nun wurde mir die Schulung angeboten, die erforderlich war, um dies leisten zu können.
Eine reine Energie, die wie eine Essenz von Göttlichkeit war, erfüllte den Raum ‒ und ich wusste, dass mich Saint Germain gehört hatte. Jedoch realisierte ich kaum, wie nah die Unterweisungen bevorstanden und wie hart die Prüfungen in den nächsten Jahren sein würden. In dem Moment, da ich in Pearls Wohnzimmer saß, fühlte ich nur Hochstimmung, dass ich nach so vielen Jahren des Suchens ‒ nicht einmal wirklich wissend wonach ‒ endlich den heiligen Pfad zur Vollkommenheit gefunden hatte, und mich ein wahrer Meister für die Unterweisung angenommen hatte.
Ich fühlte Pearl gegenüber eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass sie ein Wegweiser war und dieses Tor für mich geöffnet hatte. Zu dieser Zeit war ich mir noch nicht bewusst, dass Pearl bereits Jahre zuvor hätte aufsteigen können, aber in ihrem Körper geblieben war, nur um als Lehrerin jenen zu dienen, die die Meister zu ihr schicken würden. Auch sie hatte die gleiche Entscheidung getroffen wie ich, auf der Erde zu bleiben, um Leiden zu lindern und alle, die die Meister zu ihr schickten, zur Inneren Gegenwart zu führen.
Pearl beendete unser Treffen mit dem Erzählen einer Parabel, welche mir das Ausmaß der Hingabe aufzeigte, die von mir gefordert wurde:
In den abgelegenen Bergen fand ein Suchender den Lehrer, den er sein ganzes Leben lang gesucht hatte.
„Meister, endlich finde ich dich!“, sagte er. „ Ich bitte dich, mich als deinen Jünger zu akzeptieren und mich zur Erleuchtung zu führen.“
„Komm mit mir“, sagte der Meister, und er wanderte mit dem Suchenden zu einem nahe gelegenen Fluss. In der Mitte des Flusses tauchte der Meister den Kopf des Suchenden unter Wasser. Nach einer Ewigkeit, wie es dem angehenden Jünger erschien, hob ihn der Meister wieder aus dem Wasser, und der Schüler schnappte nach Luft.
„Nun, erzähl mir“, fragte der Meister, „als dein Kopf unter Wasser war, was wolltest du mehr als alles andere?“
„Luft, Luft“, keuchte der Schüler und füllte dankbar seine Lungen.
„Dann gehe wieder‟, sagte der Meister. „Komm nur dann wieder, wenn du dich so sehr nach dem sehnst, was ich zu lehren habe, wie du dich nach Luft gesehnt hast, als dein Kopf unter Wasser war.“